Denkmalberatung

Denkmalpflegerische Bauberatung am Dresdner Neumarkt

Blick auf Frauenkirche
Semper
Helm

Zu meinen wichtigsten und gleichzeitig schönsten Tätigkeiten, die ich seit 2004 bis heute ausübe, gehört die denkmalpflegerische Bauberatung für den Wiederaufbau des Dresdner Neumarkts.

Da sämtliche Rekonstruktionen im Neumarktgebiet letztlich Neubauten sind, kann die Staatliche Denkmalpflege hier verständlicherweise nicht tätig werden.

Zunächst finanziert durch die Friends of Dresden (New York), seit 2010 aber durch das Stadtplanungsamt Dresden, versehe ich diese anspruchsvolle und sehr vielgestaltige Tätigkeit auf Honorarbasis gemeinsam mit meinem Kollegen Dipl.-Ing. Dietrich Berger

Abnahme von Stuckornamenten für das Dinglingerhaus am Jüdenhof © Dietrich Berger

Bauberatung zum Palais Hoym mit Dirk Wachtel, Dietrich Berger und Sven Schubert (v.l.n.r.) © Dietrich Berger
© Stefan Hertzig (links: Repro / rechts: Stadtarchiv Dresden)

Meine erste Aufgabe besteht darin, historische Dokumente zu den zerstörten Bauten zu recherchieren. Dies sind zunächst Planzeichnungen, wie etwa Grundrisse oder auch Aufrisse aus der Zeit vor und nach 1945. Originale Pläne aus dem 18. Jahrhundert sind für die Neumarktbauten nur noch in sehr geringem Maße greifbar.

Zum Zweiten sind aber die eigentlich wichtigsten Dokumente die schier unzähligen historischen Fotografien, die sich in den verschiedenen Dresdner Archiven (Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Sächsische Landesbibliothek Dresden, Abt. Deutsche Fotothek Dresden und Stadtarchiv Dresden, ehem. Bildstelle Stadtplanungsamt) erhalten haben.

Die Fotografien liegen heute fast alle in hochaufgelöster digitaler Form vor und können so hinsichtlich der benötigten Details (Ornamente, Profilierungen) hervorragend ausgewertet werden.

Am bedeutendsten sind für uns aber die originalen historischen Architekturfragmente der zerstörten Gebäude. Es sind höchst kostbare Artefakte, die von Dresdner Bürgern (wie z. B. Gerhard Ebeling) in der direkten Nachkriegszeit unter sehr großen Entbehrungen und Mühen aus der Trümmerwüste der zerstörten Altstadt herausgerettet wurden.

In der Mehrzahl handelt es sich um Sandsteinteile, wie etwa Schlußsteine – meist von den großen Portalen – , Fensterornamente und Erkerbrüstungen und -einfassungen in Form von Pilastern und Kapitellen. Es haben sich aber auch zahlreiche historische Gitter von Balkonen, Fenstern und Erkern erhalten.

Die Steinteile weisen oftmals sogar noch historische Farbschichten auf, die wir meist untersuchen lassen und durch die man heute Rückschlüsse auf die unterschiedlichen Farbfassungen ziehen kann, die die Häuser im Laufe ihrer Geschichte gehabt hatten.

Schlußstein des Hauses Landhausstraße 3 mit den Initialen „JMG“ des Erbauers (Johann Michael Günter) © Stefan Hertzig
Der prachtvolle sog. „Krellbrunnen“ – heute im Hof des Hauses An der Frauenkirche 17 eingebaut © Stefan Hertzig
Plan für die Rekonstruktion der Hauptfassade des Palais Hoym mit einmontierter neuer Wappenkartusche © Dähne Architekten

Unsere zweitwichtigste Aufgabe bei der denkmalpflegerischen Bauberatung besteht darin, die neuangefertigten Baupläne auf ihre historische Genauigkeit und Korrektheit zu überprüfen.

Unsere Beratungstätigkeit betrifft zumeist die Proportionen der Bauten in Höhe, Dachneigung und Tiefe der verschiedenen Fassadenteile, aber auch die Ausbildung der sehr wichtigen Profilabwicklungen.

Des Weiteren müssen aufgrund der heutigen Nutzung der Bauten historisch und „denkmalpflgerisch“ vertretbare Kompromisslösungen gefunden werden: So etwa bei der Gestaltung der Erdgeschosszonen mit meist vergrößerten Schaufenstern oder die Anzahl und Anordnung der Dachgaupen und Zierschornsteine usw.

Die wohl spannendste und schönste Tätigkeit während der Bauberatung ist die Überprüfung und Abnahme der auszuführenden bildhauerischen Arbeiten in Stuck und/oder Stein.

Da die historischen Fotografien zwar vieles, aber letztlich doch auch immer nur einen Teil der Wahrheit wiedergeben, bleibt ein Interpretationsspielraum hinsichtlich der Detaillierung und oft auch der räumlichen Tiefe der Ornamente.

Hier gilt es mit Feingefühl dem ausführenden Bildhauer die eigene kunsthistorische Sichtweise zu vermitteln. Meist gelingt das Werk letztlich aber nur durch eine intensive Diskussion und Zusammenarbeit aller Beteiligten.

Ornament für die Fassade des Hauses Rampische Str. 33, geschaffen von Thomas Schubert © Stefan Hertzig

Rekonstruktionsarbeiten im British Hotel: Wiederherstellung der Gewölbedecke der Halle in Rabitztechnik. Über einer untergehängten Metallkonstruktion wird eine starke Mörtelschicht als Ersatz für ein Vollsteingewölbe aufgebracht. © Stefan Hertzig

Und zuletzt gehört es auch zu unserem Tätigkeitsfeld – es die wohl heikelste und verantwortungsvollste Aufgabe – „denkmalpflegerisch“, also gestalterisch und kulturhistorisch vertretbare Ersatzlösungen zu finden und den Bauherren zu vermitteln.

Dies ist heute leider um so notwendiger, da die bestehende EnEV (Energieeinsparverordnung) der Bundesregierung den Bauherren, die die Immobilien meist weiterverkaufen wollen, Wärmedämmschutzsysteme aufnötigt, die eine historisch ausgeführte Stein- oder Ziegelfassade verunmöglichen.

Des Weiteren neigen die Bauherren aus finanziellen Gründen immer stärker dazu, die historisch korrekten Sandsteinarbeiten für Gesimse und Profile durch Hartstuck zu ersetzen. In diesem Fall können historisch nachweisbare hochwertige Zugprofile aus Kalkzementmörtel oder für die Gewölbe die sog. Rabitztechnik angeboten werden, die bereits aus dem 19. Jahrhundert bekannt ist.

Ein aktuell laufendes Bauberatungsprojekt stellt der Wiederaufbau des berühmten „Narrenhäusels“ am Neustädter Elbufer für Frank Wiessner dar (Architekt Martin Trux).

Da das Gebäude abweichend von seiner Vorkriegsfassung im originalen Barockzustand rekonstruiert werden soll, gilt es, aus den wenigen verfügbaren zeichnerischen Darstellungen die ursprüngliche Form nebst der Details herauszufinden.

© Andreas Hummel 7 arte 4D, Dresden

© Bilder oberster Block: www.bausituation-dresden.de./Oliver Stuchly | darunter links: dieMeisterTischler, Deutschmann und Schöne GbR | darunter rechts: Matthias Thomschke (SSW Pirna)